CCnetwork: Wann und wie ist MONAS Collective entstanden, was war die Grundmotivation?
MONAS Collective (MONAS): Eine drei Jahre zurückliegende Zufallsbegegnung des Musikers Kurt Holzkämper mit dem Wissenschaftler Hubert Wiggering machte beide aufeinander neugierig. Die Tatsache, dass natürliche Systeme Klangbilder erzeugen, die künstlerisch eindrucksvoll und zugleich „Stolpersteine“ sind, die über wissenschaftliche Inhalte nachdenken lassen und Botschaften erzeugen, war ihnen Anlass, audiovisuelle Kunst und Naturwissenschaften zusammenzuführen. MONAS Collective erfüllt dies in einzigartiger Weise, entwickelt sich ständig weiter.
Aus der Klimaforschung von Hubert Wiggering (ganz links) heraus drängte sich zuvorderst das Thema „Moore hören“ auf.
CCnetwork: Wer ist bei MONAS Collective dabei?
MONAS: MONAS ist ein Künstlerkollektiv um den Musiker und Klangkünstler Kurt Holzkämper. Aktuell setzt sich das Team zusammen aus Prof. Dr. Hubert Wiggering (Wissenschaftler), Phillip Staffa (Objektkunst, Website, Musiker), Laurenz Theinert (Licht- und Videokunst), Martin Stahl (IT Entwicklung), Vincent Wikström sowie Reinhold Braig (Programmierung), Maria Schmid (Projektmanagement), Nina Jünemann (Social Media).
CCnetwork: Was ist der besondere Reiz an Mooren, wenn es um Klimakunst mit Umwandlung ökologischer Daten geht?
MONAS: Es war lange eine der kulturellen Errungenschaften Moore zu entwässern, Torf abzubauen und zu nutzen, Flächen für landwirtschaftliche Produktion oder neuen Siedlungsraum zu gewinnen und vieles mehr. Dies wurde immer wissenschaftlich begleitet, wie auch der derzeitige Paradigmenwechsel, dass Moore nicht mehr entwässert werden, gar wieder vernässt werden, um ein Entweichen von Klimagasen einzudämmen, Wasser in der Landschaft zu halten und zur Biodiversität beizutragen. Dieser ständige Wandel der Moore mit den unendlich vielen ästhetischen Reizen und der immer wieder hineinbeschriebenen Mystik fand und findet auf unterschiedliche Weise Eingang in die Kunst.
Moore fordern Wissenschaft wie Kunst also in ganz besonderer Weise heraus, ihre Bedeutung wie ihre Schönheit darzustellen, auch in kulturellen Räumen.
CCnetwork: Welche Methoden für die Umwandlung von Daten gibt es, ist das für Laien nachvollziehbar zu erklären?
MONAS: Die verwendeten Biodaten bilden Steuerdaten, welche unterschiedliche Sampler, Granulatoren, Abtastraten und Klangeffekte steuern. Man kann es sich wie ein Instrument vorstellen. Es gibt den Klangerzeugenden Körper (Saiten, Resonanzkörper – bei uns die Mooraufnahmen) und die Steuerdaten, die der Spieler einsetzt (Anschlag, Tonhöhe – bei uns CO2 Werte und weitere Biodaten). Die Klänge werden dann quadrofonisch, also auf 4 Lautsprechern räumlich abgebildet (Quadrofonie).
Die Daten werden von Laurenz auch zur Steuerung visueller Bearbeitungen benutzt, um beispielsweise mit Mikroskopaufnahmen von Torfmoosen oder abstrakten Bildern zu variieren. Das Moor wird zum Protagonisten und spielt sich mit den Biodaten sozusagen selbst. Spannend wird es, wenn die Daten vom Konzertraum verwendet werden, und das Auditorium durch die bloße Anwesenheit die Klänge mit beeinflusst (CO2 Wert, Raumtemperatur). Letztlich ist jedes (Lebe-) Wesen auf dem Planeten Teil des Klimas, oder wie Humboldt sagt: alles ist mit allem verbunden.
CCnetwork: Hat sich das technische Equipment auf eine auffällige oder überraschende Art während eurer Arbeit entwickelt?
MONAS: Die ersten Sensoren hat unser IT Spezialist Martin Stahl in wunderschöne Holzkisten verbaut. Inzwischen entwickeln wir sowohl neue Sensoren für zum Teil andere Themengebiete mit einer noch höheren Auflösung (und damit mehr Bewegung in den Datenströmen) als auch ein Gerät, welches in einer kompakten Bauart live Daten im Museumsraum anzeigt und direkt in Klangskulpturen einspielt und diese quadrofonisch manipuliert. Es soll ein eigenständiges Kunstobjekt werden – ist aber noch viel Arbeit.
CCnetwork: Inwiefern sind die von euch generierten Daten Wissenschaft?
MONAS: Für die gemessenen Daten erheben wir zunächst in keiner Weise den Anspruch der wissenschaftlichen Qualität. Sie dienen zuvorderst der Erstellung von Klangbildern begleitet von visuellen Eindrücken und sollen symbolisch das Beziehungsgeflecht von natürlichen Prozessen darstellen. Hier beziehen wir uns auf den Dualismus aus Natur und Mensch, also dem Gegenüber von Ursprünglichem und Artifiziellem. Dies ist insbesondere im angekündigten Zeitalter des Anthropozän von großer Bedeutung.
Beim zweiten Hinhören/Hinsehen ergeben sich aber erste Muster zum Zustand der Entwässerung/Wiedervernässung der Moore. Dies gilt es weiter zu erforschen.
Grundsätzlich sind die unsererseits erhobenen und gut dokumentierten Daten Informationen, die jeglicher wissenschaftlichen Auswertung verfügbar gemacht und interpretiert werden können.
CCnetwork: Was kann Wissenschaft mit ästhetisierten Daten anfangen?
MONAS: Abgesehen davon, dass Wissenschaften bisher noch gar nicht alle Möglichkeiten nutzen, sind auch ästhetische Daten, soweit sie entsprechend dokumentiert und reproduzierbar sind, für diverse Auswertung zu verwerten und ein (unterschätztes) Transportmedium für den Wissenstransfer. Über Ästhetik auf Gegebenheiten/Situationen hinzuweisen, neugierig zu machen, um dann auf wissenschaftliche Erkenntnisse/Erfordernisse hinzuweisen, ist eindrücklich wie einfach.
CCnetwork: Was ist für euch der kritische Mehrwert der ästhetischen Verarbeitung von Daten aus dem Moor?
MONAS: Mittels der ästhetischen Verarbeitung von Daten aus dem Moor wird in eindrucksvoller Weise auf die zukünftige Rolle der Ökosysteme Moor im Zusammenhang mit dem Klimawandel, dem Landschaftswasserhaushalt und schwindenden Verfügbarkeiten von Wasser oder auch bzgl. des Erhaltens der Biodiversität hingewiesen. Durch den künstlerischen Ansatz wird vielleicht sogar der gesellschaftliche Diskurs zur Bedeutung der Moore im Allgemeinen und ihrer Wiedervernässung im Besonderen mit angetrieben.
Unhörbare Räume wie ein Moorkörper sind aus künstlerischer Sicht ein weißes Blatt Papier. Alles wird möglich!
CCnetwork: Wir zitieren von eurer Website: „Das Moor formt sein eigenes Kunstwerk“ Wen spricht dieses Moor an? Wen wollt ihr ansprechen?
MONAS: Natürlich macht die Herangehensweise zunächst Kunstinteressierte neugierig. Kunst muss aus sich heraus gar nichts wollen. Jeder, der sich mit Klangkunst auseinandersetzen möchte, wird sich dem Thema Moore auf seine eigene Weise nähern. Je mehr unterschiedliche Wege zum Moor führen, desto besser. Und die Neugier ist unser großer Freund und Antreiber. Die nächsten Schritte führen also konsequenterweise zur Neuen Musik und den dort ansässigen Kompositionstechniken und Freiheiten.
CCnetwork: Wir danken vielmals für das Interview!
Auf der Musikplattform bandcamp gibt es verschiedene Moorstücke von MONAS Collective zu hören. ↗ MONAS Collective bei bandcamp
Video und Fotos: Copyright MONAS Collective
Auf der Website von MONAS Collective finden sich viele weitere Videos und Soundbeispiele ↗ www.monascollective.com